Informationen zum Nachteilsausgleich

Was ist ein Nachteilsausgleich?

Nach aktueller Gesetzeslage haben Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen – chronische Krankheiten eingeschlossen – das Recht auf einen Nachteilsausgleich. Er soll dazu beitragen, dass ihnen im Unterricht und im Rahmen von Leistungsnachweisen keine beeinträchtigungsbedingten Nachteile gegenüber ihren Mitschüler*innen entstehen.

Was das konkret bedeutet, hängt stark von der individuellen Situation bzw. den jeweiligen Einschränkungen ab. Die Schule hat hier die Aufgabe, die Beeinträchtigung in entsprechendem Maße zu berücksichtigen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Ein Nachteilsausgleich umfasst etwa die Bereitstellung spezieller Arbeitsmittel, die Gestaltung von differenzierten Arbeitsaufträgen und eine adäquate Verlängerung der Arbeitszeit, um etwa auf motorische Einschränkungen beim Schreiben einzugehen.
Es geht nicht um die Bevorzugung einer Schülerin oder eines Schülers, sondern vielmehr darum, einen bestehenden Nachteil zu verringern, um ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass die Betroffenen die erforderlichen Leistungen in einer Weise erbringen können, die ihren Einschränkungen gerecht wird. Leistungen sollen besser vergleichbar sein. Fachlich wird den Schülerinnen und Schülern mit Nachteilsausgleich genauso viel abverlangt wie ihren Mitschüler*innen.

Welche rechtlichen Grundlagen sind zu beachten?

Gemäß § 126 Sozialgesetzbuch IX bestehen in Deutschland Vorschriften in Bezug auf Hilfen für Menschen mit Beeinträchtigungen zum Ausgleich von Nachteilen oder Mehraufwendungen. Dies gilt auch für niedersächsische Schulen. Im niedersächsischen Erlass „Schriftliche Arbeiten in den allgemein bildenden Schulen RdErl. d. MK v. 16.12.2004 – 33-83 201 (SVBl. 2/2005 S. 75 ) – VORIS 22410 – heißt es: „5. Für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sollen die äußeren Bedingungen (z. B. Dauer, Pausen, zusätzliche Hilfsmittel) bei der Anfertigung bewerteter schriftlicher Arbeiten nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass Nachteile auf Grund der Behinderung ausgeglichen werden.“

Wann liegt eine Behinderung vor?

Das bundesdeutsche Recht definiert eine Behinderung im Sozialgesetzbuch IX § 2 Abs. 1 wie folgt: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist und länger als 6 Monate besteht.“

Die Frage, ob das im Falle von Lernstörungen zutrifft, ist mehrfach geklärt worden und nicht mehr strittig. So gibt beispielsweise das VG Kassel bekannt: „Bei der Legasthenie, die durch fachärztliches Gutachten bestätigt worden ist, handelt es sich um eine Behinderung i. S. d. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, auf die im Schulrecht Rücksicht zu nehmen ist“ (VG Kassel, Beschluss vom 23.3.2006, Az.: 3 G 419/06). Es resultiert, dass von einer Lernstörung im Sinne der WHO Betroffenen ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist.

Eine Lernstörung kann durch ein medizinisches Attest bescheinigt oder offensichtlich erkennbar sein. Die Entscheidungskompetenz der Klassenkonferenz in der Frage, ob ein Nachteilsausgleich gewährt wird, wie es im niedersächsischen Erlass heißt, beschränkt sich auf Fälle ohne Attest. Liegt hingegen ein Attest vor, muss Nachteilsausgleich gewährt werden. Der Klassenkonferenz obliegt es nur, über dessen Form zu entscheiden. Darüber hinaus können Schüler*innen ohne Lernstörung, deren Leistungsstand aus anderen Gründen nicht den Anforderungen entspricht, Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs gewährt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Die Art des zu gewährenden Nachteilsausgleichs sollte sich an der konkreten Situation des einzelnen Schülers*der einzelnen Schülerin orientieren. Überlegen Sie daher genau, welche Maßnahmen wirklich sinnvoll sind und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche – getreu dem Motto: so wenig wie möglich – so viel wie nötig!. Erfahrungsgemäß erhöht dies die Chancen, den gewünschten Nachteilsausgleich durchzusetzen.

Welche Nachteile erfährt nun ein Mensch, der von einer Legasthenie betroffen ist, und wie kann ein Ausgleich gestaltet sein?

Generell ist es wichtig, zu verstehen, dass eine Legasthenie nicht nur die Rechtschreibung betrifft. Hier tritt sie am deutlichsten in Erscheinung, impliziert aber einen grundsätzlich beeinträchtigten Umgang mit der Schrift.
Da Lesen und Schreiben im heutigen Bildungswesen zentral sind, besteht ein Handicap im Zugang zur Bildung. Dies sollte im ganzen Unterricht ausgeglichen werden.

So ist Rücksichtnahme nicht nur in Prüfungs- und Leistungssituation, sondern insbesondere auch im regulären Unterricht notwendig.

Nachteilmöglicher Nachteilsausgleich
Texte können nicht in üblicher Geschwindigkeit gelesen werden, sodass die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht, um Aufgabenstellungen zu verstehen und Lerninhalte zu erfassen.
  • Vorlesen der Aufgabenstellung
  • mehr Zeit zum Lesen
  • digitale Texte, die von einem Programm vorgelesen werden
Die Fehlerquote beim Lesen ist höher, das heißt, Inhalte und Aufgaben werden falsch interpretiert.
  • Vorlesen der Aufgabenstellungen
  • digitale Texte, die von einem Programm vorgelesen werden
Gedanken und Formulierungen können nicht in üblicher Geschwindigkeit verschriftet werden, das heißt, die zur Verfügung stehende Zeit reicht nicht aus.
  • mehr Zeit zum Schreiben
  • mündliches Abprüfen
Die Fehlerquote beim Verschriften ist höher, das heißt, die Rechtschreibfehlerrate ist hoch.
  • mehr Zeit zum Korrigieren
  • Schreibprogramm mit Rechtschreibhilfe
  • Diktier-Software
Das Verschriften erfordert eine besondere Anstrengung, das heißt, das Schriftbild ist schlechter.
  • Schreibprogramm mit Rechtschreibhilfe

Welche Nachteile erfährt ein von einer Dyskalkulie betroffener Mensch, und wie kann ein Ausgleich gestaltet sein?

Auch eine Dyskalkulie beschränkt sich nicht auf den Fachbereich Mathematik. Hier tritt sie lediglich am deutlichsten zutage. Vielmehr stellt sie eine grundsätzliche Beeinträchtigung im Mengenverständnis und in der Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division dar.

Nachteilmöglicher Nachteilsausgleich
Der Umgang mit Zahlen und Mengen erfordert ein höheres Maß an Konzentration, das heißt, die Betroffenen sind schneller erschöpft.
  • mehr Zeit bei der Bearbeitung von Klassenarbeiten
  • reduzierte Aufgabenmenge
  • zusätzliche Hilfsmittel wie Taschenrechner
  • Abzählhilfen
Die Fehlerquote beim Rechnen und Zählen in allen Fächern ist hoch, das heißt, Aufgabenstellungen, die Zahlenwerte beinhalten, zum Beispiel ,,Nenne drei...“ werden nicht immer richtig interpretiert.
  • zusätzliche Hilfsmittel wie Taschenrechner
  • Platz für drei Antworten vorgeben
Schätzen funktioniert nicht, und der Zugang zu Musiknoten, Zahlenwerte und Statistiken gelingt nur schwer.
  • Reduzierung solcher Anforderungen in nicht mathematischen Fächern bzw. Gewährung individueller Hilfestellung

Notenvergabe

Die Grundschule führt alle Schülerinnen und Schüler an eine angemessene Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit heran. Neben Leistungsanforderung und Leistungsüberprüfung gehören hierzu auch Ermutigung, Unterstützung und Anerkennung von Leistungen sowie ein positives Lern- und Leistungsklima und das Schaffen von Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit (Erl. des MK vom 3.2.04 – 301 – 31020 (SVBl. Nr.3/2004 S.85), geändert durch RdErl. v. 20.7.2005 – 32-31020 (SVBl. 9/2005 S.490) – VORIS 22410 -).

Diese in Niedersachsen fast wortgleich für alle Schulstufen geltende Vorgabe macht klar, dass in Fällen, in denen die Leistungsfähigkeit nicht den Anforderungen entspricht und auch nicht in absehbarer Zeit entsprechen wird, eine Notengebung ihr Ziel verfehlt.

Schüler*innen mit einer starken Lernstörung kann ein permanentes „Mangelhaft“ oder „Ungenügend“ massiv demotivieren.

Eine veränderte Notengebung wird im Amtsdeutsch als „Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung und -bewertung“ bezeichnet. Folgende Kriterien sind für den Bereich Rechtschreibung vorgegeben:

„Bei Entscheidungen nach Nummer 4.1 (Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung und –bewertung) soll berücksichtigt werden, dass Schwierigkeiten im Rechtschreiben allein kein Grund sein dürfen, bei sonst angemessener Gesamtleistung

  • eine Schülerin oder einen Schüler nicht zu versetzen,
  • eine Schülerin oder einen Schüler vom Übergang von der Grundschule an eine weiterführende Schule oder von einem Wechsel zwischen den Schulformen des Sekundarbereiches I der allgemein bildenden Schulen auszuschließen,
  • von einer der Gesamtleistung entsprechenden Empfehlung für den Wechsel der Schulform am Ende des vierten Schuljahrganges abzusehen.“

Die niedersächsische Erlasslage beinhaltet nachstehende zusätzliche Vorgaben:

  • Im Fach Mathematik kann nur bis einschließlich Klasse 4 von einer Notengebung abgesehen werden.
  • Für den Bereich Lesen und Schreiben gilt die Möglichkeit des Verzichts auf Noten auch in der Sekundarstufe I, jedoch nicht für Abgangs- und Abschlusszeugnisse.
  • Die Sekundarstufe II betreffend liegt keine explizite Regelung vor.

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