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Die Besonderheit dieses Förderschwerpunkts liegt darin, dass der Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler sich immer erst dann abzeichnet, wenn sie mit formellen, strukturierten und institutionalisierten Lernanforderungen im schulischen Kontext konfrontiert werden. Sie zeigen in der Regel insbesondere Schwierigkeiten beim Erwerb der Kulturtechniken. Die Steuerung und die Reflexion des Lernprozesses (Metakognition), das Nutzen von Lernstrategien sowie die selbstständige Bewältigung schulischer Anforderungen scheinen erschwert zu sein (KMK, 2019, S. 6). Schülerinnen und Schüler mit einem diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen erfüllen infolgedessen oftmals nicht in der erwarteten Weise oder nicht in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen die „intellektuellen Leistungsanforderungen“ (Grünke, 2004, S. 65) der Primar- oder Sekundarstufe. „Bei Schülerinnen und Schülern, denen unter den gegebenen individuellen Voraussetzungen – auch bei Ausschöpfung aller Formen der pädagogischen und unterrichtsfachlichen Unterstützung – ein Erreichen der Mindeststandards und der Lernziele der allgemeinen Schule über einen längeren Zeitraum nicht oder nur in Ansätzen möglich ist, kann sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf im Schwerpunkt LERNEN angenommen werden. Das zeigt sich vielfach bei Transferleistungen, etwa wenn es darum geht, unterrichtsfachliche Kompetenzen in der Bewältigung von Alltagserfahrungen zu nutzen bzw. Alltagskompetenzen aus den verschiedenen Lebensbereichen unterrichtsfachlich einzusetzen.“ (KMK, 2019, S. 6)
Gezielte Förderung
Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen können bei systematischer individualisierter Förderung und einer lernförderlichen Unterrichtsgestaltung den Hauptschulabschluss erreichen können. Sie werden deshalb in Niedersachsen auf der Grundlage der gültigen Fachlehrpläne der allgemeinen Schule unterrichtet. Um ihnen individuelle, die Lernmotivation und das Selbstwertgefühl steigernde Erfolge zu ermöglichen und zugleich das Ziel, das Erreichen des Hauptschulabschlusses, im Blick zu behalten, ist im sonderpädagogischen Förderplan festzuhalten, welche gezielten Unterstützungen greifen. „In jedem Fall ist sicherzustellen, das Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Schwerpunkt Lernen den individuell für sie höchstmöglichen Schulabschluss erreichen, einen gleichberechtigten Zugang zu Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben und die in den verschiedenen Bildungsphasen erreichten Leistungen so weit wie möglich bescheinigt bekommen.“ (KMK, 2019, S. 4)
Veränderbarkeit des Förderstatus
Die Festschreibung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Schwerpunkt Lernen ist kein unabänderlicher Status und kein personenbezogenes Merkmal, da sich Entwicklung immer offen gestaltet und kontextabhängig ist. Deshalb gilt es regelmäßig zu prüfen, ob eine Leistungsbewertung in allen Lern- und Leistungsbereichen beziehungsweise in Teilbereichen bezogen auf die Standards der allgemeinen Schule möglich ist. Die detaillierte Beschreibung insbesondere des kognitiven Potenzials des betreffenden Schülers respektive der Schülerin und daran anknüpfende Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung sind dem sonderpädagogischen Gutachten zu entnehmen.
Wie kann gemeinsamer Unterricht gelingen?
Es besteht eine zehnjährige Vollzeitschulpflicht. Die Bandbreite individueller Zugänge zum Lerngegenstand ist in diesem Zeitraum auszuschöpfen. Neben kognitiven sind insbesondere auch sensomotorische und emotionale Zugänge zum Lerngegenstand zu ermöglichen (Berge, Greiner, 2018). Alle allgemein- und fachdidaktischen Möglichkeiten sollten genutzt werden, um die Anschlussfähigkeit für die Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen zu gewährleisten. Lernerfolge sollen dem Kind helfen, Selbstvertrauen und Lernmotivation aufzubauen. Angestrebt wird, das Kind zu größtmöglicher Selbstständigkeit zu führen, seine Lernbereitschaft zu stärken, schulische Leistungen zu fördern und zu einer realistischen Selbsteinschätzung zu befähigen.
Ein individueller Zugang zum Lerngegenstand gelingt zum einen, wenn dieser für die Schülerinnen und Schüler an subjektiver Bedeutsamkeit gewinnt. Zum anderen sind vorübergehende organisatorische und methodische Abweichungen von den für die allgemeine Schule geltenden Lehrplänen und Vorschriften auch bei lernzielgleichem Unterricht aufgrund des sonderpädagogischen Förderbedarfs zulässig. Sie können lernfördernd wirken, sollten sich jedoch vorrangig auf Unterstützungsangebote und die Nutzung von Medien beziehen, um den Anschluss an die Rahmenlehrpläne zu gewährleisten. Hilfreich für den Lernprozess sind zudem
- Übungsphasen, die genau zum Lernstand und zum angestrebten Ziel passen und die die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler unterstützen,
- die Verwendung verschiedener Darstellungsformen (beispielsweise bildlich, alltagssprachlich, gegenständlich),
- die Möglichkeit zur Partnerarbeit, des Beobachtens anderer beim Anfertigen der richtigen Lösung oder des Nachfragens sowie
- ermutigende Rückmeldungen und gezielte pädagogische Unterstützung.
Schwerpunkte der Arbeit in den Klassen 1 bis 4 sind unter anderem die Wahrnehmungsförderung, das Erlernen und Festigen von Arbeitstechniken, das Erlernen und Einüben von Regeln, der Abschluss des Leselehrgangs und der Umgang mit Mengen und Größen.
Wichtige Prinzipien des Unterrichts sind das Lernen mit konkreten Unterrichtsmaterialien, das Lernen mit allen Sinnen, Handlungsorientierung und vielfältiges Üben.
In den Klassen 5 bis 7 wird auf den erworbenen Grundkenntnissen und Fähigkeiten aufgebaut. Die Festigung von Arbeitstechniken und sozialen Fähigkeiten spielt eine wichtige Rolle im Unterricht. Die Schülerinnen und Schüler lernen zunehmend selbstständig und selbstbestimmt zu arbeiten.
In den Klassen 7 bis 10 sind die Unterrichtsinhalte auf die Zeit nach der Schule ausgerichtet. Durch Betriebspraktika und Betriebserkundungen, die in unterschiedlichen Organisationsformen und zeitlich ausgedehnt stattfinden können, sammeln die Jugendlichen eigene Erfahrungen mit der Berufswelt. Ferner lernen die Schülerinnen und Schüler, wie konkrete Lebenssituationen geplant und realisiert werden können, zum Beispiel eine Klassenfahrt und die Haushaltsführung. Die Jugendlichen erhalten Anregungen und Hilfen auf ihrem Weg zur selbstständigen Lebensführung.
Referenzen
Grünke, M. (2004). Lernbehinderung, in: Lauth, Gerhard (Hrsg.): Interventionen bei Lernstörungen: Förderung, Training und Therapie in der Praxis. Göttingen: Hogrefe, S. 65–77.
KMK (2019). Empfehlungen zur schulischen Bildung, Beratung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im sonderpädagogischen Schwerpunkt LERNEN (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14.03.2019: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2019/2019_03_14FS-Lernen.pdf)