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Ein sonderpädagogischer Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung ergibt sich, wenn die pädagogischen Handlungsoptionen ausgeschöpft sind und es der Schülerin oder dem Schüler trotz präventiver Maßnahmen und pädagogischer Interventionen nicht gelingt, an schulischer Bildung teilzuhaben. Störendes oder problematisches Verhalten von Schülerinnen oder Schülern tritt nicht isoliert, sondern in einem sozialen Zusammenhang auf, an dem mehrere soziale Systeme beteiligt sind. Jedes Verhalten erfüllt in der jeweiligen Situation oder im jeweiligen Kontext eine für die Schülerin oder den Schüler sinnvolle Funktion. Problematisches Verhalten kann direkt in der Situation des Unterrichts entstehen, aber auch aus anderen Systemen, wie Familie, Peergroup oder Trainingsgruppe übertragen werden. Dies gilt insbesondere für Verhaltensweisen, die von der Schülerin oder vom Schüler als zielführend und erfolgreich erlebt wurden. Verdeckte Regelkreise, beispielsweise Kommunikationsabläufe, spielen dabei eine Rolle. Es ist daher notwendig, Interaktionsmuster, die wenig akzeptierte Verhaltensweisen hervorbringen oder stabilisieren, zu erkennen und zu unterbrechen.
Beeinträchtigungen im Erleben und sozialen Handeln stellen keine feststehenden und situationsunabhängigen Tatsachen dar. Sie sind nicht auf unveränderliche Eigenschaften der Persönlichkeit zurückzuführen, sondern als Folge einer Erlebens- und Erfahrungswelt anzusehen, die sich in Interaktionsprozessen im persönlichen, familiären, schulischen und gesellschaftlichen Umfeld herausbildet. Dabei können die Auswirkungen von Entwicklungsstörungen, Krankheiten oder Behinderungen problemverstärkend wirken.
Wie kann gemeinsamer Unterricht gelingen?
Es besteht eine zehnjährige Vollzeitschulpflicht. Kinder und Jugendliche mit einem Förderbedarf im Bereich des Verhaltens haben oft Schwierigkeiten, ihre Umwelt angemessen wahrzunehmen oder werden durch familiäre oder soziale Probleme überfordert. So ziehen sie sich in sich selbst zurück oder reagieren mit Aggressionen oder Clownerien. Dadurch werden sie häufig von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern abgelehnt. So benötigen diese Kinder und Jugendlichen Hilfen, um ihre Umwelt anders wahrnehmen, angemessene Verhaltensweisen und ein positives Selbstwertgefühl aufbauen zu können.
Aufeinander aufbauende unterstützende pädagogische Handlungsoptionen sollen es ermöglichen, für Schülerinnen und Schüler sowie Pädagoginnen und Pädagogen passende kontext- und entwicklungsabhängige Lösungen in Schule und Unterricht zu schaffen. Sie können zudem präventiv Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung vorbeugen. Zeitgleich werden mit entsprechenden Interventionen Regelkreise durchbrochen, und der jeweilige Kontext wird so verändert, dass für die Schülerin oder den Schüler das gewünschte Verhalten einen Sinn aufweist.
Im Unterricht werden Möglichkeiten geschaffen, die Situation und die Gefühle der Schülerinnen und Schüler zu thematisieren und einen gesellschaftlich anerkannten Umgang damit zu erarbeiten. Außerdem bietet die schulische Arbeit vermehrt Situationen an, die dazu beitragen, Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten aufzubauen und somit eine Stabilisierung des Sozialverhaltens zu gewährleisten. Individualisierte Unterrichtsformen erleichtern das Aufarbeiten von Lern- und Entwicklungsrückständen und können so das Selbstwertgefühl der Schülerinnen und Schüler verbessern.
Durchschnittlich zehn bis 15 Schülerinnen und Schüler lernen an Förderschulen mit dem Schwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung gemeinsam in einer Klasse. Eine Klassenlehrerin oder ein Klassenlehrer erteilt in der Regel die meisten Stunden in der Klasse. So kann sie oder er am ehesten über eine tragfähige Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern eine Lernmotivation aufbauen. Diese Beziehung ist für die Entwicklung der Kinder besonders bedeutsam, da das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten immer auch ein Zeichen dafür darstellt, dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr aus eigener Kraft bestehende Konflikte und Spannungen bewältigen können. Für jede Schülerin und jeden Schüler werden in einem individuellen Förderplan Lernziele und Fördermöglichkeiten entwickelt.
Ziel der sonderpädagogischen Förderung ist die Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen. Sie sollen nach Möglichkeit an eine Grund- oder Hauptschule zurückkehren. Dies kann zunächst probeweise für ein halbes Jahr erfolgen. In dieser Zeit hält die Lehrkraft für Sonderpädagogik den Kontakt zu der Schülerin oder dem Schüler und zu der allgemeinen Schule aufrecht.
Die Eltern werden in die schulische Arbeit so weit wie möglich einbezogen. Regelmäßige Kontakte zwischen Familie und Schule finden über Telefonate, Hausbesuche und Veranstaltungen für Eltern (Elterntreffen und Gesprächsrunden) statt. So erfahren sie auch von den Sorgen und Nöten anderer Betroffener. Sie erleben, wie andere Familien versuchen, schwierige Probleme mit ihrem Kind zu lösen.
Schulabschlüsse
Die Schülerinnen und Schüler können folgende Abschlüsse erwerben:
- Hauptschulabschluss,
- einen dem Hauptschulabschluss (Klasse 9) gleichwertigen Abschluss des Bildungsgangs im Förderschwerpunkt Lernen,
- Hauptschulabschluss nach Klasse 10,
- mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) – gegebenenfalls in Verbindung mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe,
- Abschluss des Bildungsgangs im Förderschwerpunkt Lernen nach Klasse 10.
Problematik Übergänge
Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung sind in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt, eine Vielzahl von unfreiwilligen Übergängen bewältigen zu müssen. Dies ist kritisch zu betrachten, da gerade sie feste und verlässliche Bezugspersonen auf allen Ebenen benötigen. Somit gilt es stets individuell und umfassend zu prüfen, ob beispielsweise die vorübergehende Herausnahme aus der Bezugsgruppe wirklich zielführend und entwicklungsfördernd ist.
Empfehlungen zum Weiterlesen
Bauer, C., Hegemann, T. (2008). „Ich schaffs! – Cool ans Ziel“. Heidelberg: Carl-Auer Verlag. Furman, Ben (2016). „Ich schaffs!“ in Aktion – Das Motivationsprogramm für Kinder in Fallbeispielen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
Jantowski, A. (2015). SchülerStärken. Soziale und emotionale Förderung. In: Praxis Schule 26. Jg. 5, S. 10–17.