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Diklusion ist ein Begriff, der sich zunächst als Hashtag verbreitete und mittlerweile nicht nur beim Nachrichtendienst Twitter als ein gebräuchliches Wort etabliert ist, sondern vor allem auch im Lernbetrieb.
Die Verbindung aus den Begrifflichkeiten digitale Medien und Inklusion beschreibt die Verknüpfung der dahinterstehenden grundlegenden Themen, die zentrale Herausforderungen unseres Bildungssystems darstellen. Allerdings besteht das langfristige Ziel innerhalb der Prozesse von Schulentwicklung darin, diese Begriffe in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Sowohl Inklusion (insbesondere nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009) als auch der Einsatz digitaler Medien sollen im Alltag aller Schulen zunehmend selbstverständlich sein und möglichst in einigen Jahren nicht mehr mit einem Etikett belegt werden müssen, da sie einen Teil des Schullebens bilden. Das Ziel jedoch bleibt zunächst bestehen: Möglichkeiten und Chancen der Verknüpfung prüfen und weiterentwickeln, um die Qualität eines diklusiven Unterrichts zu steigern und die Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.
Grundlegendes
Im Folgenden werden die notwendigen Begrifflichkeiten, Zusammenhänge sowie Modelle eines diklusiven Unterrichts erläutert.
Im ersten Teil gilt es zunächst die Planung und die notwendigen Rahmenbedingungen von diklusivem Unterricht in den Fokus zu nehmen.
Im zweiten Teil wird das Lernen durch assistive Medien eine Rolle spielen. Es werden verschiedene Hilfestellungen für beeinträchtigte oder benachteiligte Schülerinnen und Schüler vorgestellt und auch rechtliche Aspekte wie der Nachteilsausgleich mit digitalen Medien erläutert.
Bitte beachten Sie dabei:
Apps, Websites und Software können neben einer Vielzahl unbedenklicher auch datenschutzrechtlich bedenkliche Funktionalitäten enthalten. Die lokalen Datenschutzbestimmungen vor Ort sind durch den Anwender oder die Anwenderin in jedem Fall vorab zu überprüfen und entsprechend umzusetzen.
Bildung für alle – digitale Medien und Inklusion in der Schule
Die Ziele von Inklusion entsprechen dem Bildungsbegriff nach Klafki (2007), der Bildung als eine gesamtgesellschaftliche, aus dem Zusammenspiel dreier Grundfähigkeiten bestehende Aufgabe begreift: Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit.
Eines seiner drei Grundprinzipien (Klafki, 2007, S. 53), die Bildung für alle, findet in unserem Beitrag als Leitkategorie Anwendung. Inklusion wird im Sinne der Bildung für alle als eine Möglichkeit zur Teilhabe für alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von festgestellten Beeinträchtigungen oder Förderschwerpunkten verstanden. Damit liegt – entgegen der häufig umgangssprachlichen Verwendung in schulischen Kontexten, beispielsweise als Synonym zur Integration von Kindern mit einem Förderbedarf, ein breiter Inklusionsbegriff zugrunde, bei dem alle Menschen mit und ohne Behinderung durch die Gewährung von dafür notwendigen Hilfen gleichrangig am Unterricht und damit an der Gesellschaft teilhaben dürfen (Kullmann, 2014, S. 90). Somit sollen alle Schülerinnen und Schüler „in der Erreichung ihrer individuellen Lernziele unterstützt werden“ (Powell, 2013, S. 141f.). Textor (2015, S. 37) weist darauf hin, dass Inklusion nicht zwingend ein wissenschaftlicher Begriff ist, sondern vielmehr ein politisch geprägter, der daraufhin in die Wissenschaft eingeführt wurde.
Einen weiteren Bezugspunkt dieses Beitrags beschreibt das zweite Kernthema: die digitalen Medien. Hier wird die Mediendefinition von Petko (2014, S. 13) herangezogen:
„Medien sind einerseits kognitive und andererseits kommunikative Werkzeuge zur Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von zeichenhaften Informationen.“
Auch in der Strategie der Kultusministerkonferenz von 2016 wurde für die digital-inklusive Bildung darauf verwiesen, dass …
„[…] die Berücksichtigung des digitalen Wandels dem Ziel dient, die aktuellen bildungspolitischen Leitlinien zu ergänzen und durch Veränderungen bei der inhaltlichen und formalen Gestaltung von Lernprozessen die Stärkung der Selbstständigkeit zu fördern und individuelle Potenziale innerhalb einer inklusiven Bildung auch durch Nutzung digitaler Lernumgebungen besser zur Entfaltung bringen zu können“ (KMK, 2016, S. 4).
Digitale Medien bieten damit eine Perspektive für den inklusiven Unterricht zur Ermöglichung der Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler und zur Verbesserung der Qualität. Die Vernetzung der Bereiche Inklusion und digitale Medien allerdings ist jedoch noch nicht ausreichend vorangeschritten.
Im Folgenden wird der Entwurf eines Fünfebenenmodells für den Einsatz digitaler Medien im inklusiven Kontext beschrieben.
Ebenenmodell zum Einsatz digitaler Medien im inklusiven Kontext
Die verschiedenen Aspekte zum Einsatz digitaler Medien im inklusiven Kontext in Bezug auf das diklusive Lernen und Unterrichten lassen sich in fünf Ebenen zusammenfassen: Gesellschaft/Umwelt, Organisation, Lerngruppe, Lernebene und Individuum. Sie werden im Folgenden präzisiert (Schulz, 2018, S. 346ff.):
Einsatz digitaler Medien in inklusiven Kontexten: Lehren/Lernen mit, über und durch Medien (Schulz, 2018, S. 346)
Auf der ersten Ebene steht das Individuum, also die Schülerin oder der Schüler, im Zentrum der Betrachtung (Lernen DURCH Medien). Digitale Medien werden hier im Sinne einer Hilfsfunktion verwendet und bieten Unterstützung im Lernprozess. Die Schülerinnen und Schüler haben dadurch die Chance, an Bildung und am Unterricht teilzuhaben. Beispiele sind der sogenannte Screenreader, der Bildschirminhalte vorlesen kann, und Übersetzungs-Apps, die von einer anderen Muttersprache in die deutsche Sprache übersetzen, sowie weitere Tools, die eine Beeinträchtigung kompensieren und damit Teilhabe ermöglichen.
Die zweite Ebene beschreibt die Lernebene in Bezug auf die Individualisierung von Lernprozessen (Lernen MIT Medien 1). Die Schülerinnen und Schüler können in einem diklusiven Unterricht durch verschiedene (adaptive) Tools oder adaptiven Unterricht ein auf sie abgestimmtes individualisiertes Lernangebot erhalten.
Die dritte Ebene bezieht sich auf die Lerngruppe (Lernen MIT Medien 2) und umfasst die diklusiven Möglichkeiten des Unterrichts in Bezug auf Präsentation, Kollaboration, Kooperation und Ähnliches. Hier werden digitale Medien als Werkzeuge verwendet, um beispielsweise eine Nachrichtensendung über das Corona-Virus, ein Buch über die Pflanzen in der Region oder eine PowerPoint-Präsentation über den Imperialismus zu erstellen.
Die vierte Ebene umreißt die Organisation von diklusivem Unterricht (LEHREN mit Medien). Damit ist insbesondere die Vorbereitung von differenziertem oder individualisiertem Unterrichtsmaterial durch digitale Tools oder auch die Zusammenarbeit über digitale Hilfen in multiprofessionellen Teams gemeint. Zudem kann mit digitalen Anwendungen ein Überblick über den Lernstand der Schülerinnen und Schüler verschafft werden, der es der Lehrkraft erleichtert, passgenauen Unterricht zu planen.
Die fünfte Ebene beschreibt übergreifend den soziokulturellen Kontext und damit die Förderung von Medienkompetenz zur Teilhabe an gesellschaftlichen Abläufen und Prozessen (Lernen ÜBER Medien). Auf dieser Ebene werden das Wissen über Medien, die zielgenaue, sozialverantwortliche Anwendung oder auch die gewinnbringende Nutzung von Medien in das Blickfeld gerückt. Hierunter sind auch die Kompetenzen zu fassen, die in der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz spezifiziert werden (KMK, 2016, S. 24).
Referenzen
Klafki, W. (2007). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik (6. Auflage). Weinheim: Beltz.
KMK (2016). Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016 in der Fassung vom 07.12.2017. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf.
Kullmann, H., Lütje-Klose, B. & Textor, A. (2014). Eine allgemeine Didaktik für inklusive Lerngruppen – fünf Leitprinzipien als Grundlage eines Bielefelder Ansatzes der inklusiven Didaktik (S. 89–107). In B. Amrhein & M. Dziak-Mahler (Hrsg.), Fachdidaktik inklusiv. Auf der Suche nach didaktischen Leitlinien für den Umgang mit Vielfalt in der Schule. Reihe Lehrerinnenbildung gestalten, Band 3. Köln: Waxmann Verlag.
Petko, D. (2014). Einführung in die Mediendidaktik – Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Weinheim: Beltz.
Powell, J. (2013). Kulturen der sonderpädagogischen Förderung und „schulische Behinderung“. Ein deutsch-amerikanischer Vergleich. In M. Hummrich & S. Rademacher (Hrsg.), Kulturvergleich in der qualitativen Forschung. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven und Analysen. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, Bd. 37 (S. 139–154). Wiesbaden: Springer.
Schulz, L. (2018). Digitale Medien im Bereich Inklusion. In B. Lütje-Klose, T. Riecke-Baulecke & R. Werning (Hrsg.): Basiswissen Lehrerbildung: Inklusion in Schule und Unterricht, Grundlagen in der Sonderpädagogik (S. 344–367). Seelze: Klett/Kallmeyer
Textor, A. (2015). Gemeinsam Lernen. Theoretische Grundlagen und didaktische Leitlinien für einen Inklusion unterstützenden Unterricht. In C. Fischer (Hrsg.), (Keine) Angst vor Inklusion. Herausforderungen und Chancen gemeinsamen Lernens in der Schule (S. 37–59). Münster: Waxmann.