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Mit dem Unterzeichnen der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich alle Vertragsstaaten verpflichtet, ein inklusives Schulsystem einzuführen. Ziel ist es, zu erwirken, „dass Menschen mit Behinderung nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden“. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche.
Die Umsetzung eines inklusiven Schulsystems stellt Lehrkräfte, aber auch das System Schule insgesamt vor große Herausforderungen. Auf dem Weg zum Gelingen sind an deutschen Schulen zunehmend Schulbegleiter*innen tätig. Sie unterstützen Kinder mit besonderem Förderbedarf, sodass diese erfolgreich am Unterricht teilzunehmen imstande sind. Eine gute Schulbegleitung eröffnet Chancen für eine effektive Inklusionsarbeit. Als Teil eines multiprofessionellen Teams arbeiten sie gemeinsam mit weiteren Akteur:innen an dem Ziel, Inklusion in der Schule zu ermöglichen. Schulbegleitung versteht sich an dieser Stelle als Unterstützung für Schülerinnen und Schüler, die individuelle Hilfe benötigen, damit sie in gleicher Weise am Unterricht teilnehmen können wie Kinder und Jugendliche ohne Einschränkungen.
Fallbeispiel
Tim sitzt an seinem Tisch im Klassenraum. Um ihn herum befinden sich circa 10 Mitschüler*innen. Er ist ein stets gut gelaunter, engagierter und wissbegieriger Schüler. Auf den ersten Blick wirkt er integriert. Doch die Stimmung kann unvermittelt kippen und in eine Verweigerungshaltung übergehen.
Es wurde eine Störung in der emotionalen und sozialen Entwicklung diagnostiziert. Seit zwei Jahren wird er daher von einer Integrationshilfe begleitet. Sie wurde vom Jugendamt des Landkreises zugeteilt, steht in engem Kontakt mit seinen Eltern und sorgt unter anderem dafür, dass Tim trotz seiner emotionalen Schwankungen im Schulalltag zurechtkommt und somit erfolgreich am Unterricht teilnehmen kann.
Sie versucht, ihn emotional aufzufangen und belastende Situationen so zu gestalten, dass er sich vollständig auf den Schulalltag einlassen kann.
Manchmal, wenn seine Motivation nachlässt, gelingt es ihm, sich mit Unterstützung durch die Schulbegleiterin auf die Lerninhalte zu konzentrieren. Bisweilen verlassen sie den Klassenraum, damit er sich bewegen und auf diese Weise beruhigen kann. Im Einzelgespräch wird herausgefunden, welche Ursache der Verhaltensauffälligkeit zugrunde liegt – ob es eine Äußerung oder ein anderer Reiz war. Die intensive Beziehung, die sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen entwickelt hat, ist hier hilfreich. Tim vertraut ihr und ist daher bereit, sich ihr zu öffnen.
Eine große Herausforderung
Schulbegleiter*innen sind aus dem Alltag an vielen Schulen in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Sie gelten als wichtige Unterstützung, wenn es darum geht, multiprofessionelle Teams an inklusiven Schulen aufzubauen. Viel wird von ihnen erwartet – seitens der förderbedürftigen Kinder, deren Eltern, des Jugendamts und der Schule. Dennoch stellen sie sich ihrer herausfordernden Aufgabe täglich aufs Neue.
Die Schulen schätzen ihr Engagement und freuen sich über die Unterstützung, die sie den Kindern und dem Kollegium bieten. Ohne diese wären Lernerfolge oftmals nicht in gleichem Maße möglich, weil Lehrkräfte abseits des pädagogischen Auftrags zusätzliche Energie für eine Einzelbetreuung von Schüler*innen mit Förderbedarf aufwenden müssten.
Da es an sonderpädagogischen Fachkräften mangelt, ist die Schulbegleitung oft mit hohen Erwartungen konfrontiert, die über das hinausgehen, was sie per Auftragsdefinition leisten soll und kann. Die Folge: Entgegen der Vorgaben sind viele Schulbegleitungen gezwungenermaßen oder freiwillig pädagogisch-unterrichtlich tätig. Der Gesetzgeber erlaubt dies ursprünglich nicht – Eine Schulbegleitung soll rein rechtlich nur eine assistierende Funktion erfüllen. Doch im Schulalltag sind die Lehrkräfte auf die Unterstützung von Schulbegleiter*innen angewiesen, damit ein effektiver und individualisierter Unterricht gestaltet werden kann. Somit gestalten sich die Grenzen des gesetzlich Erlaubten in der Praxis fließend, auch, weil die Vorgaben der Bundesregierung unklar gehalten sind und nicht ausreichend geklärt ist, welche Rolle die Schulbegleitung im Hinblick auf die Umsetzung einer inklusiven Schule innehaben soll.
Sie befindet sich also in einem Dilemma: Einerseits soll sie in Schulen in Zeiten eines Mangels an sonderpädagogischem Personal inklusive Aufgaben wahrnehmen, andererseits die Sonderpädagogik nicht ersetzen – Letzteres auch angesichts fehlender Fachkompetenzen. Dennoch wird es ihr teilweise aufgebürdet. Das kann dazu führen, dass Schulbegleiter*innen in die Aufgabenbereiche der Sonderpädagogik gedrängt werden.
Fehlende Klarheit in Konzepten und Qualifikationen
Weil der vergleichsweise jungen Maßnahme vielfach kein definiertes Konzept zugrunde liegt, ist die Rolle der Schulbegleiter*innen im inklusiven Kontext nicht präzise umrissen. Offen ist zudem, welche Qualifikationen überhaupt erforderlich sind.
Die von der Forschung genannten Zahlen schwanken deutlich. Während einige Studien davon ausgehen, dass die Mehrheit der Schulbegleiter*innen eine pädagogische Ausbildung absolviert hat, liegt dieser Wert gemäß anderen Studien deutlich niedriger. Eine Schule muss daher zunächst herausfinden, welche individuellen Fähigkeiten die Schulbegleiter*innen aufweisen. Das kann bedeuten, dass der Einstieg in die Tätigkeit sehr unterschiedlich ausfällt.
Fazit: trotz allem eine unverzichtbare Ressource!
Die Ausgestaltung der Schulbegleitung birgt trotz aller Kritik eine Stärke, die im schulischen Alltag eine sehr persönliche und intensive Art von Unterstützung ermöglicht: Schulbegleiter*innen lernen, Kinder anders zu verstehen, denn der Kontakt endet nicht am Schultor. Das besondere Wissen über den familiären Hintergrund, der Austausch mit den Eltern, die starke Bindung zu dem zu unterstützenden Kind – all das hilft, seine Wünsche, Neigungen, Widerstände und Ängste zu erkennen und einzuschätzen.
Schulbegleitung ist zusammengefasst eine bedeutsame Dienstleistung, wenn es darum geht, zukunftsorientierte Bildungsangebote zu entwickeln, die dem Recht auf Teilhabe entsprechen.
Wenden Sie sich gerne an uns, wenn Sie Interesse an dieser Tätigkeit haben oder lesen Sie sich unseren Blogbeitrag durch, den wir in vier Wochen veröffentlichen werden. Er wird die Aufgaben der Schulbegleitung genauer beschreiben und deutlich machen, was ein Quereinstieg mit sich bringt.