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„Wenn etwas leicht zu lesen ist, dann war es schwer zu schreiben.“ (Enrique Jardiel Poncela)

Heute widmen wir uns der Frage, was einen guten Text ausmacht, der leicht zu lesen ist. Welche Aspekte gilt es im Schreibprozess zu beachten?

Adieu komplizierte Texte!

Ein weit verbreitetes Missverständnis zeigt sich in vielen Texten: Nicht wenige Autor:innen sind offenbar der Ansicht, dass komplexe Inhalte kompliziert formuliert sein müssten. Das erschwert es den geneigten Leser:innen, sich dem Dargestellten mit Vergnügen und stabilem Interesse zuzuwenden.
Richard von Weizsäcker erklärte einst: „Wer kompliziert formuliert, hat nicht genug nachgedacht.“
Wer dies verinnerlicht hat, ist einem guten Text einen großen Schritt nähergekommen.
Ein klares Thema und eine Kernbotschaft bilden die beste Grundlage für einen lesefreundlichen Text.

Wann ist ein Text ein guter Text?

Schreibtalent wird einem in die Wiege gelegt, genau wie grüne Augen oder braune Haare. Man hat ein Faible für Sprache oder nicht. So ist die Natur. Die einen Babys können zuerst gehen, die anderen zuerst sprechen. Festhalten lässt sich: Menschen, die sich mündlich und schriftlich gut ausdrücken können, genießen viele Vorteile im Leben. Sie werden nicht nur im Freundeskreis eher verstanden, sondern auch von Mitarbeitenden, Kund:innen und Geschäftspartner:innen. Man hört ihnen gerne zu, wenn sie ihre Geschichten erzählen und liest ebenso gerne ihre Texte. Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch darauf, wie man es sagt.

Ein guter Text resultiert aus dem Handwerk des Textens

Gute Texte schreiben kann jede:r. Texten ist ein Handwerk. Man kann es lernen und sollte es auch. Es gibt wahrscheinlich mehr verhinderte Dichter:innen und Schriftsteller:innen als Menschen, die behaupten, sie hätten kein Talent. Das führt uns zu den entscheidenden Fragen: Was ist ein guter Text? Und warum ist Schreiben eigentlich so schwierig? Warum fällt uns das Formulieren so schwer? Beginnen wir ganz vorn: beim ersten Satz oder noch besser vor dem ersten Satz.
Die größte Herausforderung birgt nicht das Formulieren von klingenden Sätzen, das Finden von passenden Fachwörtern oder das Beherrschen von Satzbau und Interpunktion. Sie liegt vielmehr darin, sich darüber im Klaren zu sein, was man schreiben möchte. Es ist wie beim Autofahren: Bevor wir einsteigen, sollten wir wissen, wohin wir wollen, wenn wir keinen unnötigen Beitrag zum Klimawandel leisten wollen. Den Weg und das Ziel gilt es zu überdenken, bevor wir loslegen: Was wollen wir mit dem Text seitens der Leser:innen auslösen? Was ist unsere Absicht? Mit welchen Fakten, Argumenten, Anekdoten und Ähnlichem erreichen wir dieses Ziel? Was davon ist für die rezipierende Person von Interesse?

Ein guter Text bietet einen Mehrwert

Lassen Sie uns ein Beispiel betrachten: Unser Ziel ist es, neue Kund:innen für unsere Möbeltischlerei zu gewinnen. Schreiben wir, wie schön die von uns hergestellten Möbel sind oder wie schön sich einer der handgefertigten Tische in das Wohnzimmer einfügen könnte? Beides ist wichtig. Zuerst zeigen wir auf, wie schön das bislang karge Wohnzimmer aussehen könnte. Wir wecken den Wunsch, sich zu Hause umgeben von natürlichen Materialien und dem Geruch nach Holz wohlzufühlen. Daraufhin legen wir dar, wie sich dieser Wunsch erfüllen lässt, wie pflegeleicht und stabil unsere Unikatfertigungen sind. Und schließlich teilen wir mit, warum es zu uns kommen lohnt, mit welcher Hingabe und welchem Können wir Möbel herstellen.
Ein guter Text zeigt den Lesenden einen echten Nutzen auf: „Unser Motor verbraucht im Durchschnitt 30 % weniger Benzin als der bislang sparsamste Motor. Gibt es ein besseres Auto?“ Mit solchen Schlagzeilen gewinnt man Kund:innen. Ein einfacher Satz über den Spritverbrauch und eine simple Frage, keine Kommas, keine Fremdwörter. Man muss kein:e Wortkünstler:in sein, um gute Texte zu schreiben. Was aber wichtig ist, sind Ideen.

Ein guter Text lebt von inspirierenden Gedanken

In guten Texten steckt immer eine gute Idee. Und diese ergibt sich meistens nicht in der Dusche oder beim Spazierengehen, sondern durch viel Fleiß. Ideen entwickelt man, indem man nachdenkt, sich intensiv mit dem Problem beschäftigt, bis einem etwas einfällt, auf das andere nicht kommen, sodass ein Überraschungseffekt entsteht.
Viele Texte sind langweilig. Sie enthalten nichts Spannendes, nichts Neues, nichts Nützliches, nichts Interessantes, keine Idee, nur leere Worthülsen. Bestimmt haben auch Sie das Folgende schon zuhauf gelesen: „Ihr Partner für …“.
Ein guter Text bietet der lesenden Person einen Mehrwert, zeigt ihm etwas Neues, Spannendes, Interessantes oder Unterhaltsames auf.
Außerdem spricht mehrere Sinne an. Im Bereich des Autoverkaufs lässt sich das wie folgt umsetzen:
„Schauen Sie sich diese Kurven an.“ (Sehsinn)
„Der Motor brüllt wie ein Löwe.“ (Hörsinn)
„Dieser Wagen wird Sie nie im Stich gelassen.“ (Emotionen)

So werden unsere E-Mails, Präsentationen, Broschüren, Briefe, Internetseiten und Fachartikel und Bücher zu einem Erlebnis für alle Sinne.

Enrique Jardiel Poncela hat unseres Erachtens somit nur teilweise Recht: Ein leicht zu lesender, guter Text bedarf zwar Denkarbeit, aber diese muss keineswegs komplex und schwierig sein, sondern darf Spaß machen und inspiriert nicht nur die Zielgruppe, sondern auch die verfassende Person.