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Bulimielernen, Bulimie-Lernen, Lernbulimie oder bulimisches Lernen ist ein Neologismus, der in Anlehnung an die Essstörung Bulimie entstand. Dabei erbrechen Menschen aufgenommene Nahrung – in der Hoffnung, auf diese Weise schlank zu werden beziehungsweise zu bleiben.
Charakteristisch ist demzufolge auch beim Bulimielernen ein kurzzeitiges, sehr intensives Auswendiglernen mit dem Ziel, das Wissen im Anschluss auszuspucken.
Diese oberflächliche, aber simple Strategie wird insbesondere von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden eingesetzt, um unliebsame Prüfungen und Tests zu bestehen.
Da Bulimielernen oft in kurzen Intervallen direkt vor einer Prüfung erfolgt, wird nur das Kurzzeitgedächtnis aktiviert. Damit Informationen bis ins Langzeitgedächtnis vordringen, müssen sie jedoch regelmäßig wiederholt werden. Bulimielernen steht somit in einem Gegensatz zum kumulativen Lernen, in dessen Kontext Wissen nachhaltig erworben wird (Zorek, Sprague & Popovich, 2010, S. 157).
In vielen Fällen bleibt beim bulimischen Lernen also nach der Prüfung nicht viel vom Gelernten zurück. Wird es auf die Spitze getrieben, kann bulimisches Lernen als primäre Lernmethode zu einer seltsamen Kombination aus sehr guten Noten und mäßiger Fachkenntnis führen.
Pro Bulimielernen
Seien wir mal ehrlich: In der Schulzeit und im Studium, aber auch in Fort- und Weiterbildungen müssen wir ständig Dinge lernen, die man genauso gut auch googeln könnte, Dinge, die auf den ersten Blick für die Praxis irrelevant sind, oder einfach Dinge, die uns absolut nicht interessieren.
Für solche Fälle ist bulimisches Lernen durchaus eine effektive Herangehensweise. Darüber hinaus stellt es eine sehr zeitressourcenschonende Lernmethode dar.
Wer immer nur punktuell für Prüfungen und Tests lernt, spart wertvolle Freizeit, in der er oder sie sich Dingen widmen kann, die von größerem Interesse sind.
Tatsächlich könnte man bulimisches Lernen sogar als einen Indikator für Erfolgswillen und die Fähigkeit ansehen, Prioritäten zu setzen. Schließlich bedeutet es, in einem festen Rahmen auf ein konkretes Ziel hinzuarbeiten, obwohl keine positive Haltung zur Materie beziehungsweise zur eigentlichen Handlung besteht.
Das spricht zudem für eine gute Konzentrationsfähigkeit. Mit einer solchen fällt es beispielsweise leichter, in den sogenannten Flowzustand zu kommen, der für mentale und körperliche Höchstleistungen wichtig ist.
Contra Bulimielernen
Bulimielernen hat insbesondere in den Lern-, Kognitions- und Bildungswissenschaften einen schlechten Ruf. Da das Gelernte nicht bis ins Langzeitgedächtnis vordringt, stellt diese Methode eine sehr oberflächliche Form des Lernens dar.
Im akademischen Raum ist Bulimielernen unter anderem auch deswegen verpönt, weil es riskant ist, sich von Prüfung zu Prüfung zu hangeln.
Wenn jemand Fakten aufsaugt wie ein Schwamm, aber die Zusammenhänge nicht versteht, stellt sich natürlich die Frage, ob überhaupt die notwendigen Kompetenzen erworben wurden (Zorek, Sprague & Popovich, 2010, S. 157).
In diesem Sinne ist Bulimielernen keine Form des Lernens, die auf Wissenserwerb abzielt – ganz im Gegenteil sogar. Das stumpfe Auswendiglernen von Fakten führt weder zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema noch zu einer Vertiefung der Kompetenzen oder des Fachwissens.
Obwohl vieles, was wir an deutschen Schulen und Universitäten, im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen heute so lernen, im späteren Berufsleben oder für die bestehende Berufspraxis als wenig relevant erscheint, gibt es viele Informationen und Methoden, die angewendet und hinterfragt werden können sollten.
Für Menschen, die ihre Fähigkeiten oder ihr Wissen in einem Bereich langfristig erhalten und ausbauen möchten, ist bulimisches Lernen kaum geeignet.
Tipps für das Speichern von Gelerntem
Beim Lernen sind Regelmäßigkeit und Wiederholung das A und O. Wenn etwas einmal, zweimal oder dreimal durchgegangen wird, bleibt es oft nicht hängen.
Stattdessen gilt es jeden Tag ein festes Zeitfenster zum Lernen einzuplanen und dann alle Informationen durchzugehen und gegebenenfalls neu abzufragen.
Vielen hilft es auch, einen Lernplan zu erstellen. Hier lässt sich genau festlegen, was wann und wie lange gelernt werden soll.
Es empfiehlt sich dabei, übergreifende Themenbereiche zu bilden und diese nacheinander abzuarbeiten. Innerhalb dieser Themenbereiche werden immer nur kleine Teilaspekte gelernt, sodass keine Überforderung eintritt. So ist es möglich, sich effizient Detailwissen anzueignen und gleichzeitig Stück für Stück die Zusammenhänge zu erschließen (Fowler et al., 2017, S. 6).
Darüber hinaus hat erfolgreiches Lernen auch eine nicht zu vernachlässigende emotionale Komponente: Wer Spaß beim Lernen hat, sich wohl fühlt und vielleicht sogar etwas Interessantes am Gelernten finden kann, merkt es sich mit erhöhter Wahrscheinlichkeit (Tyng et al., 2017, S. 1454).
Deshalb ist es sinnvoll, ein gutes Setup für Lernsessions zu schaffen. Gleichgesinnte in einer Lerngruppe, Belohnungen während des Lernens und im Anschluss und das Festhalten von etwas, das als besonders interessant empfunden wird, sind hier hilfreich. Positive Gefühle sorgen für gute Erinnerungen – auch und vor allem beim Lernen.
Fazit
Bulimielernen ist nicht unbedingt die nachhaltigste Art des Lernens. Es handelt sich um eine recht oberflächliche und kurzfristige Form der Informationsaufnahme, die keinesfalls zum Kompetenzerwerb oder gar zur Vertiefung bestehender Kenntnisse geeignet ist.
Müssen jedoch für eine Prüfung reine Fakten auswendiggelernt werden, die sonst einfach ergooglet würden, kann Bulimielernen durchaus eine effiziente Lernmethode sein.
Der Wissensnachweis für die Prüfung ist erbracht, und das Wissen lässt sich danach problemlos via Internet, Lehrbuch und ähnlichen Wegen wieder auffrischen.
Grundsätzlich gilt jedoch immer: Verstehen ist besser als Auswendiglernen. Wenn das Gelernte also behalten und angewendet werden will, sollte auf eine gute Gliederung und Planung, regelmäßige Wiederholungen und eine angenehme emotionale Atmosphäre gesetzt werden.
Haben Sie schon mal Bulimielernen angewendet? Welche Lernmethoden bevorzugen Sie? Wir beraten Sie gerne, wenn Sie hier Anregungen benötigen.
Referenzen
Zorek, J. A., Sprague, J. E. & Popovich, N. G. (2010), Bulimic Learning. Pharmaceutical Education 74(8). https://doi.org/10.5688/aj7408157.
Fowler A., Whitehurst K., Al Omran Y., Rajmohan S., Udeaja Y., Koshy K. et al. (2017). How to study effectively. International Journal of Surgery: Oncology 2(6), e31. http://doi.org/10.1097/IJ9.0000000000000031.
Tyng, C. M., Amin, H. U., Saad, M. N. M. & Malik, A. S. (2017). The Influences of Emotion on Learning and Memory. Frontiers in Psychology 8. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.01454.